So geht es nicht weiter

Ist der VDSF nach der selbst verschuldeten Fusionskrise noch handlungsfähig?

Von Dr. Thomas Günther

Absage – Turbulenzen – verkorkster Neustart – Stillstand. So könnte man die Entwicklung der Fusion der beiden Anglerverbände in diesem Jahr beschreiben. Währenddessen wird es immer schwieriger, Prophezeihungen über den Fort- und Ausgang der Geschichte zu wagen.

Nachdem der VDSF nunmehr offiziell und – vielleicht ungewollt – öffentlich seinen Unwillen ausgedrückt hat, einen Zusammenschluss mit dem DAV “auf Augenhöhe” zu verwirklichen, wird der Blick auf die weitere Entwicklung immer mehr von der Frage nach den Ursachen des Scheiterns verstellt.

Da sind zum einen die zahlreichen handwerklichen Fehler, die während der Verhandlungsphase begangen wurden. In einer Reihe von Blogbeiträgen habe ich sie dargestellt und bin der Frage nachgegangen, ob sie auf Unvermögen oder Unwillen beruhen. Wahrscheinlich ist es beides. Denn wenn es “nur” Unwillen wäre, dann ist er so schlecht versteckt, dass es schon auch Unfähigkeit ist.

Zum anderen aber ist zu fragen, wie es kommt, dass sich die Führung eines Verbandes in so dilettantischer Weise über den formalen Mehrheitswillen der Mitgliedschaft hinwegsetzen kann. Es gibt begründeten Anlass zu der These, dass dieses auch bei anderen Themen des VDSF der Fall ist. (Ich könnte Beispiele nennen.)

Wenn dem so ist, dann funktioniert das Demokratieprinzip innerhalb des VDSF nicht. Jedenfalls muss sich der Verband die Frage stellen und gefallen lassen, ob das Demokratieprinzip in für die Gestaltung der Zukunftsaufgaben erforderlichem Maße gelebt wird.

Das spüren auch die Fusionsgegner. Sie bekommen durch die Mißachtung des Basiswillens, zu dem sich die VDSF-Spitze indirekt bekennt, neuen Auftrieb. Auf www.anglerboard.de ist man von einer Fusion in Gestalt eines Beitritts des DAV zum VDSF mehrheitlich bis zum heutigen Tage nicht überzeugt. Noch viel weniger einverstanden ist man dort mit dem Umgang der Verbandsführung mit dem Willen der Mitgliedschaft. Ob der dort veröffentlichte “offene Brief” an die VDSF-Landesverbände der richtige Weg ist, um zu einer Stärkung demokratischer Prozesse beizutragen, muss sich zeigen. Jedenfalls reicht es dazu, den VDSF in der Öffentlichkeit nicht gerade in einem attraktiveren Licht darstehen zu lassen. Ganz so, als wäre der Deutsche Anglerverband die Geburtsstätte sämtlicher basisdemokratischer Ideen weltweit, stehen die VDSF-Landesverbände jetzt da, als würden sie sich im Halbdämmer von ihrem Bundesverband am angewärmten Führring um den Karpfenteich zerren lassen. Das eine ist so wahr oder unwahr wie das andere.

Der Druck, der damit auf den VDSF und insbesondere auf seine Landesverbände ausgeübt wird, schadet dem Fusionsprozess erheblich. Das soll er ja wohl auch; jedenfalls nach dem Willen der Initiatoren.

Aber nicht nur die Fusionsverhandlungen, der VDSF selbst nimmt Schaden. Die Landesverbände, die in der öffentlichen Wahrnehmung nur zwischen Duckmäusertum oder Illoyalität wählen können, geraten zunehmend unter Bekenntnisdruck. Vertrauensvolle Zusammenarbeit wird so immer schwerer. Wenn jede Form der Kooperation als Mitläufertum gewertet wird, dann sind die verbandsinternen Blokaden nur noch eine Frage der Zeit.

Dieser Ansehensschaden ist mitnichten von denjenigen zu vertreten, die über die Vorgänge veröffentlichen. Am Zustand eines verrosteten Autos ist auch nicht der TÜV schuld. Schuld ist die Mißachtung demokratischer Rechte und Gepflogenheiten. Das ist keine Stilfrage, sondern ein offen zu Tage tretender Kardinalmangel. Diesen abzustellen, nicht irgendjemanden in die Ecke zu stellen, ist das Gebot.

Jeder Funktionär innerhalb des VDSF hat hierzu eine Meinung. Ob er sie äußert, ist eine Entscheidung seines Gewissens. Der preußische König Friedrich der Große (die Mitglieder des LFV Bayern mögen mir verzeihen) bezeichnete sich mehr als einmal als “erster Diener” seines Staates. Der Präsident eines Verbandes ist, meine ich, “erster Diener” seiner Mitgliedschaft. Denn die Verbände sind, man kann noch immer nicht oft genug daran erinnern, für die Mitglieder da und nicht die Mitglieder für die Verbände. Jeder Funktionär sollte sich und seine Amtswahrnehmung daran messen lassen. Je höher, desto mehr.

Jetzt geht es gar nicht mehr nur darum, die Fusionsverhandlungen wieder in Schwung zu bringen. Ob so oder so, jetzt geht es darum, den VDSF wieder flott zu machen. Es wird nicht reichen, ein oder zwei Personalentscheidungen zu treffen. Es muss ein grundsätzlicher neuer Ansatz her. Und der muss dann auch von Persönlichkeiten verkörpert werden, die charakterlich dazu in der Lage sind, ihn umzusetzen. Das ist mühsam. Aber notwendig. Die Türen in Berlin und Brüssel werden sich dauerhaft nicht für das Höchstmaß an Hinterlist und Ranküne, sondern nur demjenigen öffnen, der nachweisen kann, dass seine Basis verlässlich hinter ihm steht. Dieses Bild gibt jedenfalls der VDSF in der gegenwärtigen Situation nicht ab.

Vielmehr ist die Lage: Ein Landesverband des VDSF hat seine Mitgliedschaft fristwahrend gekündigt. Ein weiterer, stimmgewaltiger, hat seinen Austritt für den Fall beschlossen, dass keine erfolgreichen Fusionsverhandlungen zum Abschluss gebracht werden. Aber auch die Landesverbände, die eigene Stellungnahmen nicht veröffentlicht haben, dürften alsbald merken, dass man nicht “nicht kommunizieren” kann. Denn no comment ist stillschweigende Zustimmung ohne den Anspruch, mitzugestalten. Und das in der zentralen Frage, wie der künftige deutsche Anglerverband, dem man ja angehören wird, aussehen wird.  Welches Mitglied wird das nachvollziehen können?

Vielleicht herrscht in einigen westlichen Landesverbandszentralen der Glaube vor, dass alles so bleibt, wie es im VDSF seit Jahren ist; nur eben die Zahl der Landesverbände erhöht sich (vielleicht). Dieser Glaube, so er denn vorherrscht, könnte dadurch entstanden sein, dass man den Zusammenschluss als Spaziergang unterschätzt hat. Auch die Forderungen des Verbandsausschusses, die jetzt für nicht verhandelbar erklärt wurden, laufen letztlich auf ein Absorbieren des DAV und einen Erhalt des status quo des VDSF hinaus. Eines status quo, der so toll nun wirklich nicht ist.

Man mag entgegnen, dass auch die deutsche Vereinigung nach einem ähnlichen Muster gelaufen ist: Die neuen Länder der DDR sind dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beigetreten. Eine neue Verfassung ist nicht verabschiedet worden. So attraktiv dieses “Modell” für die Verbände im Westen und den VDSF sein mag, es passt nicht auf die Vereinigung der Anglerverbände. Aus einem ganz einfachen Grund: Die Menschen in der DDR waren vor gut zwanzig Jahren überzeugt, dass sie in ein System aufgenommen werden, dass Ihnen mehr Freiheit, mehr Sicherheit und mehr materielle Spielräume bietet. Die Angler im DAV haben nicht das Gefühl, dass ihnen das im VDSF geboten wird. (Daher der Wunsch, “Errungenschaften” des DAV zu erhalten.)

An dieser Stelle rächt sich, dass man es im Verhandlungsprozess unterlassen hat, die Angler und ihre Regionalorganisationen “mitzunehmen”. Wohlgemerkt: es geht hier nicht um ein wenig Info-Kosmetik. Es geht um ehrliche Überzeugungsarbeit. Hierüber müssen sich DAV und VDSF einig sein und sie müssen das nach abgestimmten Regeln leisten. Geschieht dieses nicht, wird zumindest der VDSF als Verursacher der Krise zunehmend handlungsunfähig.

Jetzt, genau jetzt bedarf es eines starken, unmißverständlichen Signals seitens des VDSF in Richtung DAV und Anglerschaft. Ein Signal, das deutlich macht, dass man ein Zusammengehen wirklich will und dabei die Interessen der Anglerschaft, auch wenn es “Errungenschaften” des DAV sind, ernst nimmt und bestmöglich einbringt. Das kann kein launiges Schreiben sein. Da muss schon so etwas her wie eine außerordentliche Sitzung der Delegierten mit einem klaren Votum oder eine Art Ur-Abstimmung. (Ich weiß, dass die Satzung des VDSF das nicht vorsieht; aber sie verbietet es ja auch nicht.)

Ist man dazu nicht bereit, dann lässt man es eben mit der Fusion. Das sollte man dann allerdings auch klar sagen. Dabei muss man lästigerweise auch sagen, weswegen es nicht klappt. Dann bleibt es beim VDSF eben beim alten status quo, unnötiger Konkurrenz und beschränkter Lobbykraft. Präsidium und Landesverbände können sich so entscheiden.

Wir leben schließlich in einer Demokratie.

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