Bei der im diesen Jahr anstehenden Wahl des Präsidenten oder der Präsidentin des Deutschen Angelfischerverbandes (DAFV) wird der saarländische Mitgliedsverbandspräsident Schneiderlöchner kandidieren. Das meldet nicht der DAFV, sondern glaubwürdig das verbandskritische Internetforum Anglerboard.
Noch ist unklar, ob die amtierende Präsidentin Happach-Kasan für eine weitere Amtsperiode antritt. Ziehen wir aber ins Kalkül, dass sich ihre FDP gute Chancen ausrechnet, bei der diesjährigen Bundestagswahl wieder ins Parlament einzuziehen, dann wäre der DAFV für sie, die dort wie im Verband über wenig Hausmacht verfügt, eine Fischereipräsidentschaft ein vielleicht entscheidender Rückhalt.
Spielen wir also mit dem Gedanken, dass wir in diesem Jahr eine echte Kampfkandidatur erleben werden. Dafür spricht schon, dass der Anwärter Schneiderlöchner, durchaus kein Prominenter unter den DAFV-Granden, mit einem ausgesprochen oppositionellen Papier gegen den Nicht-Kurs der Präsidentin antritt. Auch wenn derartiges in der Verbandsgeschichte keineswegs die Regel war.
Das sieht fast nach einem programmatischen Wahlkampf aus, auch wenn dieser aus dem fernen Saarland heraus rein logistisch nicht leicht zu führen sein wird. Denn über “Hausmacht” verfügt auch Schneiderlöchner bestenfalls nur westlich der Rhein-Pfalz.
Zwei Kandidaten mit den gleichen Schwächen, aber mit unterschiedlichen Stärken. Jedenfalls hat Schneiderlöchner in der Bundespraxis noch keinen Amtsmalus wie die Präsidentin, die quasi durch einen Regionalputsch ins Zentrum einer grottig organisierten Verbandsfusion gespült wurde, und Schneiderlöchner hat auch weder Fehltritte noch eine maue Amts-Bilanz auf seinem Bundesknto.
Nicht ohne Reflexhaftigkeit stürzen sich deswegen die Diskutanten im Anglerboard auf die lokalen Sünden jenes Kandidaten, der zur allgemeinen Überraschung wie Kai aus der Anglerkiste sprang. Im sattsam bekannten Algorithmus “anglerfreundlich/ anglerfeindlich” sortiert ihnen die Anglermeinungssuchmaschine schnell auf die hinteren Ränge aus. Dass der saarländische Verband als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu staatsnah sei um Anglerinteressen vertreten zu können, wird direkt dem Kandidaten angekreidet, obwohl jener doch gerade erst die Körperschaft, die sein Vorgänger Becker geschaffen hat, geerbt hat. Immerhin wird, zumindest von einigen, sein “Programm” als “aus dem Anglerboard abgeschrieben” bewertet. Die deswegen erwartbaren Begeisterungsstürme bleiben bei den grundfrustrierten VDSF-Geschädigten jedoch mehrheitlich aus. Schneiderlöchner, dessen Hut nun einmal im Ring liegt, vermeidet den Kuschelkurs mit dem Anglerboard, weil er weiß, dass die Mehrheit der Hauptversammlungsfunktionäre für das publizistische Schmuddelkind der deutschen Anglerszene außer Furcht und Verachtung immer noch nicht viel übrig hat. Ein Exklusivinterview mit Thomas Finkbeiner wäre das Ende seiner Ambitionen. Soweit sind wir noch nicht.
Aber die programmatische Nähe Schneiderlöchners zu den Forderungen des seit Jahren verfemten Anglerboards beweist zumindest, dass in der Denkwelt der Funktionäre trotz der vom VDSF ererbten und von Happach-Kasan trotz aller Chancen nie aufgebrochenen Verkrustungen doch einiges in Bewegung geraten ist. Auch unter den Landesverbandpräsidenten, die nicht ihr Kündigungsschreiben in der Reinhardtstraße hinterlegt haben, ist die Suche nach neuen, produktiveren Wegen, Volkssport geworden. Und die Bereitschaft nimmt zu, auch offen kontrovers über den Kurs zu diskutieren. Da fällt ein Stück Kadavergehorsam, die Ära des Säulenheiligentums der DAFV-Präsidien nähert sich ihrem Ende. Es könnte der Beginn einer Zeit sein, in der man nicht fraglos abwinkt, um die Versammlung schnell beenden zu können, eine Zeit, in denen Kritikern wie zum Beispiel dem ehemaligne Schleswig-Holsteinischen Pressesprecher Kuhr, in “bester” Donald-Trump-Manier aufgrund “unbotmäßiger” Fragen nicht mehr das Rederecht entzogen wird. Bis zum Ende des VDSF gab es nach diesem Ereignis innerhalb der Jahreshauptversammlungen des VDSF keine ernsthaften Diskussionen mehr.
Diese trübsinnbefördernde Monokultur des Mohnert-VDSF hat leider weit in die Geschichte des DAFV hineingestrahlt. Eine nahezu komplett verbandsunkundige Präsidentin hat auf das Fortbestehen dieser alles dominierenden Amtsmacht gesetzt, statt mit Argumenten in die Landesverbände zu gehen. Dabei war von Anfang an klar, dass die Zeit der Landjunker im Präsidentenamt in einer deutlich diskursiveren Anglerlandschaft eher schnell denn langsam auslaufen würde.
Dass sie dem Publikum den “Mohnert in Rüschenbluse” gegeben hat, während ihr ein Landesverband nach dem anderen von der Stange ging, das nehmen ihr mehr noch als die Basis die eingefleischten Verbandsfunktionäre übel. Ganz scheint es so, als wäre sie, trotz zahlreicher Fotos mit männlichen Angelexperten im Hintergrund, nie im Verband angekommen, hätte sich zuerst im Offenbacher Elfenbeinturm, dann – endlich – in ihrer vertrauten – Berliner FDP-Zentrale, die jetzt auch untermieterhaft DAFV-Zentrale sein darf, aber von Herrn Lindern jederzeit fristgerecht gekündigt werde darf, vor allen notorischen Besserwissern wohlbeschützt, eingummelt – und nicht einmal der angedrohte Austritt des mitglieder- und zahlungskräftigen bayerischen Landesverbandes konnte das Schleswiger Daichschattengewächs zu einem Friedensgespräch nach Canossa, nein: München bewegen.
Für einen Neuanfang jedenfalls, ja wenigstens für zeitnotwendige Veränderungen, nein, dafür steht Frau Happach-Kasan nicht ein, wenn sie sich nicht noch in den kommenden Monaten schulzartig neu erfindet. Ob sie das will, dafür gibt es keine Anzeichen. Ob sie das kann, dafür gibt es keine mir bekannten Anhaltspunkte.
Ein Kandidat, der sich ein in Ansätzen verständliches, aber insgesamt unausgewogenes Programm per paste and copy zu eigen macht und eine Amtsinhaberin, die mangels eigener Vorstellungen ihren über alle Maßen fatalen Vorgänger zum Vorbild und Maßstab ihres Handelns nimmt, das scheint wirklich kein Musterbeispiel der Bestenauslese zu sein.
Gelingt es uns also auch erneut nicht, aus diesem Dauerjammertal der deutschen Angelei-Vertretung herauszukommen? Derartige Düsternis wird jedenfalls nicht dadurch erhellt, dass beide Kandidaten bislang der öffentlichen Auseinandersetzung über ihre Positionen ausweichen. Diese wird ja nicht nur dem Anglerboard verweigert, sondern sogar gegenüber den Delegierten der Jahreshauptversammlung! Letzteres ist, im Übrigen, ein dauerskandalöser Affront gegen die Mitgliederschaft. Denn das deutsche Verbandsrecht verpflichtet jeden Verband, auch im Inneren zur Einhaltung demokratischer Prinzipien. Durch das Verhindern jedweder Diskussion liegt man vielleicht im überkommenen Modetrend einer Politik, die durch ein “Wir machen das schon” den Einzelnen von der Mitwirkung und Mitsprache ausschließt, aber man vergisst, dass man genau und gerade dadurch diejenigen ertüchtigt, die sich selbst als Umstürzler gerieren, auch wenn es ihnen selbst nur um die Fleischtöpfe geht. Das Amt des DAFV-Präsidenten gilt vielen noch als Fleischtopf, obwohl es dazu erst durch den werden kann, der das missbraucht.
Meine Prognose: Schwere Frage! Denn selbst die hat viele Komponenten.
Zunächst einmal: Kommt es überhaupt zur Kampfkandidatur? – Ein Hut ist im Ring, der saarländische. Kaum zu erwarten, dass der ohne Gesichtsverlust da wieder rausgenommen werden könnte. Das Barettchen der Präsidentin, ob es folgen wird? Für Frau Happach-Kasans Ambitionen, über die zu spekulieren einer Wette auf den Ausgang von Donald Trumps Absetzungsverfahren gleichkommt, wäre eine gewonnene Kandidatur vorteilhaft, für ihr seelisches Wohlbefinden eher weniger. Vielleicht macht sie sich die Frage der Kandidatur von ihren Siegchancen abhängig, wofür einiges spricht. Sie könnte sich durch die – sorry an die Saar – Provinzialität Schneiderlöchners zu einer erneuten Kandidatur herausgefordert fühlen. Das alles könnte völlig losgelöst von der Stimmungslage im Verband und an der Basis erfolgen – beide Ebenen sind von der Teppichetage viel zu weit entfernt, als dass “die Mächtigen” sich davon bedroht fühlen oder beeindrucken lassen könnten.
Dann: Was passiert, wenn ein Kandidat strauchelt? – Das ist einfach und fatal. Die übergroße Mehrheit wird den verbleibenen Kandidaten wählen, allein weil kein anderer da ist und man so Geschlossenheit demonstrieren kann, ohne irgendjemandem Weh zu tun. Wer immer auch strauchelt, der andere ist Sieger. Wer strauchelt? Die Amtsträgerin kann wegen ihres Verhaltens, aber auch wegen urplötzlich ruchbarer Auffälligkeiten im Verbandsgeschehen, in Schwierigkeiten kommen. Man würde ihr bei einer Kampfkandidatur schon vorwerfen, dass es ihr nicht gelungen ist, diese zu verheimlichen. Der Kandidat muss nur fürchten, was er selber sagt, was im Saaland passiert und ansonsten Landesfürsten, die sich – aus Gründen, die wir Normalsterblichen nicht überblicken – gegen ihn zusammentun. Das Feld sollte er bestellen, tut er es nicht, que sais Dieux.
Der geduldige Leser, von denen es bekanntlich immer weniger gibt, mag einwenden: Wozu ist denn diese Kampfkandidatur gut? Sind sich die Angler denn so wenig einig? Falscher Ansatz! Einigkeit ist nicht der Ausgangspunkt der innerverbandlichen Willensbildung und schon gar kein oberstes Herrschafts- und Kommunikationsprinzip. Einigkeit ist das Ziel, das Ergebnis, das zu erarbeiten die Erwartungshaltung der Basis und ihrer Vertreter an die Verbandsführung sein muss. Es geht nicht darum, einen Präsidenten oder eine Präsidenten mit Macht auszustatten, sondern darum, die geteilte und regulierte Macht, die auch der einzelne hat, zu einem Mehrheitswillen auszuformen.
Und damit sind wir an dem zentralen Punkt. Wir fragen uns oft, warum der DAFV keine brauchbare Öffentlichkeitsarbeit hat. Und antworten darauf allzu dürftig: zu wenig Geld, zu wenig Know how, zu wenig Manpower. Jedes Symptom mag stimmen, doch der wahre Grund ist ein anderer: Der DAFV kann nicht mit vernehmbar lauter Stimme sprechen, weil er im Inneren außerstande ist, Themen zu einer Mehrheitsmeinung zu formen, weil er Diskussion und Kontroverse scheut mehr als der Fisch den Goldhaken. Weil er nicht streitet, ist der DAFV ohne jedes Selbstbewusstsein und deswegen in seinem Auftreten gegenüber der Politik auch automatisch leisetreterisch. Wer Willensbildung unterdrückt, der hat auch keinen Willen, den er kraftvoll einbringen kann. Das ist zuleich der Grund für die Beliebigkeit, die aus fast jedem öffentlich wahrnehmbaren Signal des DAFV spricht. Wir sprechen mal mit den Jägern über den Eisvogel.
Wenn es jetzt tatsächlich zu einer Kampfkandidatur um das Präsidentenamt kommt, dann besteht für den Demokratieneuling DAFV zumindest einmal Anlass und Chance, demokratischen Diskurs zu üben – und wir sollten uns nicht auf das Aufstöbern und Ausschlachten vermeintlicher Makel der Kandidaten reduzieren lassen. Das würde den Lernprozess, den wir alle brauchen, gnadenlos verhindern. Wir sollten stattdessen mitwirken an der Diskussion der unterschiedlichen Vorschläge, die die beiden Kandidaten machen und diese Stück für Stück über alle Ebenen und Gremien hinweg nach geordneten Spielregeln zu einem zeitgemäßen Mehrheitswillen werden lassen – aus dem Wettstreit um die beste Idee heraus. Das heißt Streit, aber das tut uns nicht weh und heißt auch nicht weniger Freundschaft und Solidarität untereinander. Wir alle müssen wieder lernen, uns gegenseitig zu respektieren, auch wenn wir, sei es beim catch & release, beim Keschereinsatz, beim Dorschschonmaß oder beim Nachtangelverbot, andere Meinungen haben. Und wir alle müssen neu lernen, mit Anglern zu reden, die das alles anders sehen als wir selber. Wir müssen die letzten Reste der Mohnertschen Denk-, Rede- und Sprechverbote endgültig und für alle Zeiten hinter uns lassen in dem Bewusstsein, dass es genau die waren, die uns in den dunkelfrostigen Keller der Bedeutungslosigkeit geführt haben, ein Umstand, für den es unumstößliche Beweise gibt.
Eine Kampfkandidatur, ein böser Begriff für etwas, das nichts anderes als Ideenwettstreit durch Personen ist, könnte dem eingerosteten Tankschiff DAFV und seinen Entscheidern, wie auch immer das ausgeht, im Hinblick auf die notwendige Re-Demokratisierung des Verbandes nur gut tun. Beide Seiten sollten das als Chance sehen und sich bewusst sein, dass sie selbst im Falle des Unterliegens damit dem Verband und den Anglern einen großen Dienst erwiesen haben. Deswegen besteht auch kein Grund, sich hinter Feigenblättern zu verstecken. Auch nicht gegenüber dem Anglerboard.
Dem Leser aber sei gewünscht, dass er selber und seiner Angelfreunde und alle, die sich dafür interessieren, Spaß haben werden an der Diskussion im Wahlkampf, dass er sich selber einbringen möge, wie anders seine Idee auch sei, dass er die Ideen anderer anhören und vielleicht sogar verstehen kann, es duldet, wenn sie gegen seinen Willen Mehrheit sind, in dem Bewusstsein, dass er weiter mitwirken und die Dinge ändern kann.
Der bevorstehende “Wahlkampf” ist keine Schmach für den DAFV, sondern eine Ehre. Und es ist zu hoffen, dass er unabhängig von seinem Ausgang ein Startsignal dafür ist, dass im DAFV wieder offen und restriktionsfrei, ungekuscht und kreativ über alle Dinge gesprochen werden kann, die dem Angler wirklich am Herzen liegen, nämlich dem angemessen erreichbarem Zugang zu ordentlichen Angelplätzen Das, und vor allem genau das, ist die vornehmste und wichtigste Aufgabe des DAFV. Wenn wir messen können, ob der DAFV diesem Kriterium entspricht, dann haben wir einen guten DAFV. Wer dazu beitragen möchte, dass es dazu kommt, der sollte die zwingende Gelegenheit dieser Kampfkandidatur nicht verstreichen lassen, sich einzubringen.