Nachtrag: Trophäenangler

Das Tierschutzgesetz verbietet Anglern in Deutschland, Fischen ohne vernünftigen Grund Leiden oder Schäden zuzufügen.

Ob das Angeln als solches bereits einen vernünftigen Grund darstellt, wird neuerdings behauptet, ist aber noch nicht herrschende Rechtsmeinung. Das soll einer gesonderten Betrachtung vorbehalten bleiben.

Halten wir uns, bis es dazu kommt, mit dem geltenden Recht auf. Bermerkenswert daran in Bezug auf die Angelei ist abgesehen von dem Aspekt, dass der Tierschutz offensichtlich in der Berufsfischerei nicht gilt, dass die unterschiedlichen “Opferwirkungen” in der Rechtspraxis keinerlei Wertungsunterschiede haben. Leiden führt nicht zu geringeren Rechtsfolgen, als das Töten. Eine wie auch immer geartete Störung kann die gleichen Sanktionen nach sich ziehen wie der “finale Schaden” des Tötens.

Zudem gilt bereits die Stresszufügung als tierschutzwidrig (wenn sie ohne den vernünftigen Grund erfolgt). In der Fachwissenschaft ist seit fast zwanzig Jahren umstritten, ob Fische Schmerzempfinden haben, aber dass sie durch den Drill des Fisches potentiell einem schadenstiftetenden Stress ausgesetzt sein können, wird nur von wenigen Ichthyologen abgestritten.

Das führt zu einer paradoxen Situation: einen Fisch zu drillen ist nicht weniger verwerflich als ihn zu töten. Übersetzt auf menschliche Verhältnisse – eine an sich unzulässige Analogie, aber von Tierschützern argumentativ vielfach genutzt – würde das bedeuten, dass Totschlag nicht schlimmer wäre als einfachste Körperverletzung.

Diese an sich schon verquere Sicht der Dinge wird noch deutlicher, wenn man die Verbote des Tierschutzgesetzes in Handlungsgebote umformuliert. Dabei dürfen wir nur von nicht geschonten Fischen sprechen, die insoweit einem anderen Rechtsregîme unterliegen.

Das bedeutet nämlich in dem in Deutschland verbreiteten Verständnis, dass jeder gedrillte Fisch auch getötet werden muss, mit der Begründung, dass es ansonsten an einem vernünftigen Grund fehle. Wenn man einen konkreten Fisch nicht entnehmen will, dann darf man ihn erst gar nicht haken. Absurd! Eine Entscheidungsbefugnis des Anglers, einen gehakten Fisch freizulassen, wird in dieser Auffassung ausgeschlossen. Will der Angler “den nächsten” Fisch nicht entnehmen, so bleibt ihm danach nichts, als das Angeln einzustellen. Selbst wenn er den “übernächsten” entnehmen möchte. Der Angler “darf” also nicht abhaken und releasen, aber er “darf” aufhören zu angeln. Letzteres wird man kaum als selektive Entnahme bezeichnen können, denn eine Auswahlentscheidung steht dem Angler dabei wiederum nicht zu.

Töten oder Spazierengehen ist also die einzige Alternative, die die Vertreter dieser Auffassung den Anglern anbieten wollen. Ob dadurch die Zahl der Angelaktivitäten zurückgeht, ist zu bezweifeln. Der Angler wird sich so nicht entscheiden, nur um einem fehlverstandenen Tierschutzgesetz zu genügen. Und der  “Normalbürger” wird, wenn er nicht militanter Tierschützer oder Angelgegner ist, so etwas auch nicht von ihm verlangen.

Diese Konsequenz ist aus dem Tierschutzgesetz bei vernünftiger Auslegung auch nicht zu ziehen. Dass sich der Angler in der konkreten Situation, dass er zufällig und unbeabsichtigt einen für ihn konkret nicht sinnvoll verwertbaren Fisch, der  überlebensfähig ist entscheidet, nicht zu töten, sondern zurückzusetzen, dem Fisch also schlimmeres Leid als den meistens folgenlosen Drillstress zu ersparen, kann nicht tierschutzwidrig sein. Andernfalls müsste der Angler, so lange er angelt, jeden Fisch töten, der nicht geschont ist. Und der “Kampfangler”, der jeden Fisch tötet, den er fängt, wird gegenüber demjenigen privilegiert, der nur das entnimmt, was er in der Pfanne haben möchte.

An einer solchen Auslegung des Gesetzes hat niemand in Deutschland ein nachvollziehbares Interesse. Nicht die Tierschützer, nicht die Bewirtschafter, deren Bestände dadurch ramponiert würden, nicht die Verbände und erst recht nicht die Angler. Auch die Fische nicht. Selektive Angler sind, trotz der Rechtsunsicherheit, der sie ausgesetzt sind, den meisten Tierschützern meilenweit voraus.

Nota bene: Ich bitte zu beachten, dass grundsätzlich entnahmeunwillige Angler keine selektiven Entnehmer sind. Ich möchte mit diesem Beitrag nur für Letztere eine Lanze brechen. Eine rechtliche und/ oder ethische Bewertung des Angelns grundsätzlich ohne Entnahmewillen nehme ich hiermit nicht vor.

6 responses to “Nachtrag: Trophäenangler

  1. Kolja Kreder

    Gerne möchte ich hier noch das eine oder Andere rechtlich ergänzen, wobei ich die Intention des Artikels unterstützen möchte, dass c & r hingegen als sehr problematisch ansehe. Die „Rechtfertigung“ des Fischfangs lässt sich letztlich auf den unbestimmten Rechtsbegriff in § 17 Tierschutzgesetz „ohne vernünftigen Grund“ eindampfen. Die Frage nach dem „vernünftigen Grund“ wird als „Gretchenfrage“ des deutschen Tierschutzrechts betrachtet, wird hier doch die Grenze zwischen ethischem Tierschutz und menschlichen Nutzungsinteressen gezogen. (Schröter NuR 2007, 468) Als vernünftig wird ein Grund angesehen, wenn er als triftig, einsichtig und von einem schutzwürdigen Interesse getragen anzuerkennen ist und, wenn er unter den konkreten Umständen schwerer wiegt als das Interesse des Tieres an seiner Unversehrtheit und an seinem Wohlempfinden. (Lorz/Metzger § 1 Rn 61) Entscheidend abzustellen ist auf den nach objektiver Betrachtung zu bestimmenden Hauptzweck der Handlung (KG v. 24.7.2009 – (4) 1 Ss 235/09, NStZ 2010, 175), hier also dem Angeln. Notwendig ist, dass der Angler den Willen hat, den objektiv gegebenen vernünftigen Grund zu verwirklichen. (BayObLG v. 21.3.1977 – RReg. 4 St 4/77, BayObLGSt 77, 41; Sack Rn 8 mwN.) Das Interesse des Anglers zu angeln und Fische zu fangen reicht hierfür schlicht und ergreifend nicht aus. Damit macht sich jeder Angler, der in der Absicht angelt, den gefangenen Fisch nach dem Fang zurückzusetzen strafbar! Das Angeln selber ist aus objektiver Betrachtung heraus als Hauptzweck nicht ausreichend um die Beeinträchtigung des Wohlbefindens des Fisches im Rahmen einer Interessenabwägung zu rechtfertigen. Darüber kann man nun schimpfen und lamentieren, ändern wird es diese gängige Rechtspraxis nicht. Die Schlussfolgerung, der Angler müsste aufgrund des Vorstehenden nun jeden massigen Fisch abknüppeln ist aber ebenfalls falsch. Zum einen stellt nicht nur der Fang zwecks Nahrungserwerb einen vernünftigen Grund da, denkbar sind hier selbstverständlich auch andere Gründe, wie die Hege. Natürlich darf selektiv auf eine Fischart geangelt werden um den Gesundheitszustand zu prüfen und selbstverständlich darf ein solcher Fisch auch wieder zurückgesetzt werden. Natürlich darf ein Fisch geangelt werden, um ihn z. B. aus Gründen der Hege in einen anderen Teich umzusetzen. Hier müssen die Fische nicht getötet werden. Diese vernünftigen Gründe dürften aber auf das Angeln der Mehrheit nicht zutreffen. Allerdings verbietet das Tierschutzgesetz das Zurücksetzen des gefangenen Fisches auch dann nicht, wenn der Hauptzweck im Aneignen des Fisches zum Verzehr bestand, der konkrete Fisch für den Angler aber nicht verwertbar ist! Denn es wäre eine Fehlinterpretation des unbestimmten Rechtsbegriffes des „vernünftigen Grundes“, wenn ich einen für mich nicht verwertbaren Fisch töte, um ihn gleich darauf wegzuschmeißen. Dies würde den Normzweck ins Gegenteil verkehren.

  2. Weil es so wichtig ist und ich vollkommen zustimme, darf ich Kolja Kreder zitieren:
    “Allerdings verbietet das Tierschutzgesetz das Zurücksetzen des gefangenen Fisches auch dann nicht, wenn der Hauptzweck im Aneignen des Fisches zum Verzehr bestand, der konkrete Fisch für den Angler aber nicht verwertbar ist! Denn es wäre eine Fehlinterpretation des unbestimmten Rechtsbegriffes des „vernünftigen Grundes“, wenn ich einen für mich nicht verwertbaren Fisch töte, um ihn gleich darauf wegzuschmeißen. Dies würde den Normzweck ins Gegenteil verkehren.”
    Genau das ist der Kern meiner Aussage. Und wenn auch alle Staatsanwälte (und ihre Referendare 😉 ) das erkennen und alle Amtsrichter obendrein, dann ist ja schon die schlimmste Gefahr gebannt. Es bleibt angesichts fehlender höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Restrechtsunsicherheit. Und da setzt meine Forderung an den DAFV an: Er sollte sich bemühen, diese Rechtsunsicherheit durch eine möglichst gesetzliche Klarstellung zu beseitigen.

  3. Kolja Kreder

    Die Klärung kann auch ein Landesverband herbeiführen. Man muss einen Angler finden, der mitspielt und den man anzeigen kann. Sollte dann “nur” ein Strafbefehl kommen, legt man Einspruch ein. Sollte man dann vor dem Amtsrichter verurteilt werden, legt man Revision ein. Da ich Rechtsanwalt bin, würde ich mich als Verteidiger zur Verfügung stellen. 😉 Die Frage ist aber, ob die unklare Rechtslage für uns Angler nicht besser ist.

    Es ist m. E. sogar eine Rechtsauffassung vertretbar, die c & r zulässt. Man kann nämlich vertreten, dass eine Interessenabwägung “vernünftiger Grund” gar nicht vorzunehmen ist, weil die Landesfischereigesetze das Angeln erlauben und damit das Landesfischereigesetz selbst bereits der vernünftigen Grund ist. So verhält es sich u. a. bei der Jagd und dem Bundesjagdgesetz. Auch hier dürfte die Unklarheit strafrechtlich gesehen besser sein als eine höchstrichterliche Rechtsprechung zuungunsten der Angler.

  4. Die grundlegende Erlaubnis des Angelns durch die Landesfischereigesetze als “vernünftigen Grund” anzusehen, ist ein netter Gedanke, übrigens auch in verbandspolitischer Hinsicht. Soweit ich es überblicke, hat diese Theorie noch keinen Eingang in die Rechtsprechung zur Anwendung des TSchG in der Angelei gefunden.
    P.S.: Bitte in diesem Blog keine Werbung, auch nicht in eigener Sache.

  5. Kolja Kreder

    Sorry. Werbung war nicht mein Plan. Mich wundert, dass der Gedanke noch nicht aufgegriffen wurde, denn es ist nahe liegend, da beim Bundesjagdgesetz genau so verfahren wird. Solange sich ein Jäger an die Vorschriften des Bundesjagdgesetz hält, erfolgt keine Überprüfung des “vernünftigen Grundes” im Einzelfall. Ich habe allerdings auch noch keine Urteil gefunden, dass diesen Punkt aufgreift. Ich hatte zuletzt mit einem Kollegen diesen Punkt besprochen, der seinerseits in der Ausbildung von Jägern tätig ist und er pflichtete mir bei, dass der Ansatz tragen dürfte.

  6. Das ist der Ansatz der guten fachlichen Praxis, den ich hier und auch im AB bereits vertreten habe. Eine gesetzliche Klarstellung würde da alle Probleme lösen.

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